Lan qiu…

…oder auch Basketball genannt, meint es anscheinend nicht gut mit mir. Was ich mir hier schon alles an größeren und kleineren Verletzungen zugezogen habe, geht auf keine Kuhhaut. Dennoch, es macht einen heiden Spaß, und irgendwie merke ich jetzt erst, dass es mir schon in Erlangen ständig gefehlt hat. In meinen zwei Jahren im Verein in Weißenburg hatte ich mich genau zwei mal verletzt. Hier in Shanghai bin ich etwa bei einem Schnitt von einmal pro Woche – zugegeben, ich bin auch fast täglich auf dem Platz. Ich will den Spaß mal kurz aufzählen:

Mein zweiter Tag am Basketballplatz, es regnet, ich schlag mir auf dem glatten Pflaster neben dem Feld nach einer eleganten Rückwärtsrolle das Kinn auf, und darf es mir im Krankenhaus flicken lassen.
Ein paar Tage später, ich bin gerade etwas aus dem Gleichgewicht, rudere mit den Armen, und der Ball erwischt unglücklich meinen Daumen, so dass er die dortigen Bänder gründlich überdehnt. Ich gönne mir drei Tage Pause.
Die Wunde am Kinn heilt gut, der Daumen ist akzeptabel, ich bin wieder am Platz. Als wir eigentlich schon gehen wollten, fange ich mir noch einen Ellenbogencheck gegen den noch vom Sturz lädierten Unterkiefer ein und zermatsche mir dadurch irgendwas in der Ohrgegend. Die Platzwunde am Kinn blutet wieder munter.
Als soweit alles wieder im Lot ist, biege ich mir den rechten kleinen Finger etwas um, kein großes Ding.
Vorgestern gabs dann mal wieder einen Ellenbogencheck, den ich diesmal elegant mit dem Oberkiefer abfing. Die Lippe ist innen und außen etwas aufgeplatzt, die Zähne scheinen aber soweit in Ordnung geblieben zu sein.
Tja, und gestern schaff ich es, sehr glorreich mit dem linken kleinen Finger, mich im Trikot des Gegenspielers zu verhaken, und das Gelenk, die Bänder, oder was auch immer, zu überdehnen.

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Feiern bis der Arzt kommt

Wenn man an exzessive Parties, Alkoholleichen und Heimtorkeln im Morgengrauen denkt, dann verbindet man das mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mit China. Um es vorwegzunehmen: zurecht. Man könnte das Drama auch etwa so definieren: Immer, wenn mehr als drei Personen abends zusammensitzen und möglicherweise sogar Alkohol trinken, ist das bereits eine zünftige, chinesische Party.

So traurig das auch klingt, es ist noch nicht mal eine Übertreibung. Die erste Stilblüte ereignete sich kurz nach unserer Ankunft. Wir waren abends zusammen mit den Schweden in der Fußgängerzone des Campus gesessen und hatten etwas am Bier geschnuppert. Nichts ungewöhnliches für europäische Verhältnisse, jeder zwei, drei Halbe getrunken, etwas unterhalten, gelacht, und um Mitternacht vielleicht langsam Richtung Wohnheim gewandert. Tags darauf kommen wir mit irgend einem Chinesen ins Gespräch. Und weil es doch ein nicht unwichtiges Thema ist, fragen wir ihn auch, ob es hier auf dem Campus so etwas wie Studentenfeiern gäbe. Jaaaa, da hätte er gestern erst eine gesehen, da wären ein paar Auslandsstudenten in der Fußgängerzone gesessen und hätten so richtig, richtig abgefeiert… Aha, so nennt man das hier also, dachten wir uns leise, und die ersten Zweifel am chinesischen Partyverständnis machten sich bemerkbar.

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Der mit dem Elch spricht

Es klopft an der Tür. Von draußen dringt in einem kantigen Deutsch, wie man es höchstens aus schlecht vertonten Weltkriegsshootern kennt, ein markiges „Kommen Sie hier!“ an mein Ohr. Vermutlich hat mein Zimmernachbar Jimmy mal wieder irgendetwas ausgeheckt.

Im Gang direkt gegenüber haust nämlich schon seit unserem Einzug eine ganzer Haufen schwedischer Studenten der Universität Uppsala. Die Bande bestehend aus Nil, Arin, Morgan und Jimmy sind sehr angenehme Zeitgenossen. Das einzige Manko besteht darin, dass sie nicht weiblich sind, bzw. dass sie es versäumt haben, hier einige blonde Schwedinnen mitzubringen. Davon mal abgesehen, können wir uns allerdings kaum bessere Nachbarn vorstellen. Von mehr oder minder exzessiven Trinkgelagen bei der wöchentlichen „English Corner“ bis hin zu StarCraft-Sessions und Shoppingtouren ergeben sich allerlei gemeinschaftliche Aktivitäten. Auch ihrem Chinesischkurs hab ich mich mittlerweile angeschlossen.

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Oans Zwoa Gsuffa!

Am Mittwoch hatte Michael Geburtstag und ein Ort, wo wir das anständig feiern konnten war schnell gefunden: In einer der drei hiesigen Paulaner Brauereien war Anstich zum Shanghaier Oktoberfest 2007! Da wir schon auf einige verschwommene Erinnerungen an die original Münchner Wiesn zurückblicken können, waren unsere Erwartungen und zugleich unsere Bedenken, ob man denn auch sowas kopieren kann, recht hoch. Mit riesigen Durst angekommen bekamen wir einen exzellenten Platz auf einer Art Empore und schon funkelten unsere Augen, als wir einen Blick in die Speisekarte riskierten. Von Obatzter bis Kassler mit Kraut war so manches Schmankerl vertreten.

Als dann die Kapelle „Kirchdorfer Musi“ zu spuiln begann, die direkt aus dem Münchner Löwenbräuzelt eingeflogen wurde und man zum ersten mal zu „Ein Prosit“ die Maß heben konnte, ja spätestens dann hat man sich a bisserl wie zu Haus im Freistaat gfühlt. Zugegeben, die Leute ließen sich noch sehr lange bitten, bis sie die Bänke erklommen und die erste Bolonese starten konnte, und auch ein Dirndl ist noch kein Garant für bayerische Gemütlichkeit, wie man an der nicht unbedingt über beide Ohren strahlenden Kellnerin erkennen kann, die sich Max für ein Foto schnappte.

Bei der dritten Maß und mindestens dem fünften mal Austreten angekommen, gab`s noch einen Grund zur Freude, als man unsere Sorgen um die horente Rechnung wegspülte und es hieß „Zum Anstich alles zum halben Preis!“ Daraufhin mischten wir uns vor der Bühne unters Fußvolk und zu „Er hat ein knallrotes Gummiboot“ wurden die Getränke klarer, die Erinnerungen drüber.

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Frischfleisch

Christoph hat es nach einiger Verspätung doch noch zu uns geschafft. Dazu musste ich gestern zu unmenschlich früher Uhrzeit aus dem Bett krabbeln, um ihn an der Maglev Station einzusammeln. Zimmertechnisch hat er leider etwas Pech gehabt. Der Büromensch hat ihm nen Zimmer im fünften Stock auf der Südseite angedreht – ohne funktionierende Klimaanlage und ohne Aufzug! Mein vollstes Beileid an dieser Stelle.

Und weils grad gar so gut passt:
Die Schlübber von Shanghai

Schlemmen in Hangzhou

Hangzhou (zh wird wie J in John gesprochen) ist ein „beschauliches“ Städchen mit etwa zwei Millionen Einwohnern, eineinhalb Zugstunden entfernt von Shanghai. Wir wollten es eigentlich zu dritt besuchen, aber Max hat sich erkältungsbedingt entschlossen, doch lieber Bett und Stube zu hüten. Da wir somit eine Karte übrig hatten, hatte ich spontan bei meinen Basketballbekanntschaften gefragt, ob einer Lust hätte, mit Bümmel und mir dorthin zu fahren. Tja, und so kamen wir dann direkt an einen kompetenten einheimischen Reiseleiter aka Chen Zhu. Um es einmal vorweg zu nehmen: Gastfreundlicher als das, was wir in den zwei Tagen erlebt haben, kann man nicht empfangen werden.

Für uns hieß es zunächst einmal früh aufstehen, denn für die Tour mit dem Bus und der Metro bis zum Bahnhof, darf man von unserem Campus aus schon einmal knapp zwei Stunden rechnen. Der Bahnhof selbst ist dann fast wie ein Flughafen organisiert. Bevor man in die Wartehallen darf, kommt erst einmal eine Sicherheitsschleuse und das Gepäck wird durchleuchtet.

Wartehalle im Bahnhof

So wird zumindest der Eindruck von Sicherheit vermittelt, denn weder die halb schlafenden und Fingernägel feilenden Beamten an den Monitoren noch die stoisch von Handies, Schlüsseln und Metallnieten unbeeindruckten Metallschleusen scheinen wirklich dazu in der Lage zu sein, ernsthafte Bösewichte an ihrem Tun zu hindern. Sobald der Zug da ist, wird in Windeseile eine Schlange gebildet und der Zug gestürmt. Bis man auf seinem Platz sitzt, wurde die Karte schon mindestens dreimal kontrolliert. Während der Fahrt und beim Verlassen des Bahnsteiges noch einmal zu kontrollieren, ist aber dennoch unvermeidlich. 1,3 Milliarden Menschen müssen schließlich irgendwie beschäftigt werden, und sei es nur mit Fahrkartenkontrolle.

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tongji@night

Nach mehreren nächtlichen Spaziergängen ist jetzt meine kleine Serie über den Jiading Campus der Tongji Universität bei Nacht vorerst einmal abgeschlossen. Die Serie enthält der Reihe nach die hübschesten Fleckchen, wenn man vom Haupttor bis zu unserer Unterkunft schlendert. Die Bilder entstanden alle mit Christians Kamera und Belichtungszeiten von bis zu acht Sekunden. Da ich kein Stativ dabei habe, sind einige Bilder daher leider etwas unscharf.

Absssssssssssolut

Der Himmel über Shanghai ist eine der gewöhnungsbedürftigeren Dinge. Auch an Tagen mit strahlender Sonne, will sich die Blaufärbung nicht so recht gegen das diffuse Grau der Smogglocke durchsetzen. Man vermisst das knackige Blau und die klare Sicht. Alternativ wünscht man sich, zumindest etwas Textur von Wolken zu erkennen, um das Gesehene in vertraute Muster einzuordnen. Aber da ist nichts. Nur jede Menge weichgezeichnetes Grau-Blau. Auch nachts sorgt der Himmel für ungewohnte Bilder. Außerhalb des Zentrums, wie hier am Jiading Campus, wo es keine Hochhäuser und Flutlichtanlagen mehr gibt, erfüllt ein orange-rotes Dämmern die ganze Nacht hindurch den Himmel. Man wird unfreiwillig an verschiedene Weltuntergangsszenarien diverser Computerspiele erinnert. Nicht einmal hier draußen sieht man Sterne. Immerhin, der Mond ist geblieben. Im Zentrum zwischen all den hell beleuchteten Wolkenkratzern ist der Himmel einfach nur tief grau. Je nach Wetterlage mal mit, mal ohne Textur. Nicht schwarz, nicht blauschwarz, nicht einmal orange-rot, sondern einfach nur undurchdringlich grau. Interessanter Weise stört das zwischen all den bunten Lichtern allerdings kaum. Die teilweise sehr kunstvoll inszenierten Lichtspiele an den verschiedenen Türmen kommen so noch besser zur Geltung. Da wir keinen Foto dabei hatten, muss das detaillierte Ausmalen des Panoramas allerdings der Fantasie des Lesers überlassen bleiben. Soviel zu unseren gestrigen Beobachtungen.

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Von Mägen und Wolkenkratzern

Nachdem wir die letzten Tage das Essen der westlichen Restaurants hier am Campus getestet haben, muss sich irgendwo auf dem Weg zwischen Pizza, Burgern und BBQ wohl noch irgendwas Unverträgliches in unsere Mägen geschlichen haben. Vorgestern bekamen jedenfalls Max und ich Durchfall und Bauchschmerzen. Michael „der Saumagen“ blieb dagegen verschont. DASS es mal dazu kommen musste war uns irgendwie klar, überraschend nur, dass westliches und nicht chinesisches Essen der Grund dafür war. Max hat sich schnell wieder erholt, in mir dagegen herrscht trotz Magentropfen und Durchfalltabletten immer noch Krieg.

Vielleicht um mir den ungesunden westlichen Fras abzugewöhnen hat mich dann gestern noch Lobelt (Robert) zum Essen eingeladen und besondere Delikatessen auftischen lassen: Hühnerinnereien und Entenblut. So gut wie da haben mir wahrscheinlich noch nie die Beilagenudeln geschmeckt.

Trommelwirbel – nun meine lang geplante 5 Sterne Überleitung

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Ausrutscher

Eigentlich hatte ich überhaupt nicht vor, chinesische Krankenhäuser von innen zu sehen, aber erstens kommt es ja bekanntlich anders, und zweitens als man denkt. Ich hatte mich beim Basketball spielen mit einigen Chinesen auf dem regennassen Gehweg nebenan unsanft aufs Kinn gelegt und mir dort eine Platzwunde zugezogen. Im ersten moment hatte ich davon mal wieder garnichts gemerkt, erst als ich dann plötzlich nen ordentlichen Klecks Blut in der Hand hatte und keine Ursache lokalisieren konnte, wurde ich nachdenklich.

Kurz und gut bin ich dann mit Christians Arbeitskollegen aka Lobelt aka Robert und zwei Freunden von ihm ins nächste Krankenhaus gefahren. Bevor ich im Taxi meinen Geldbeutel zücken konnte, hatte Robert mal wieder bezahlt. Er bringt mich wirklich noch zum Verzweifeln. Wenn man ihn nicht mit physischer Gewalt vom Bezahlen abhält und eine zweite Person derweil das Zahlen übernimmt, kann ihn kein noch so ausgefeilter Trick stoppen. Robert ist immer schneller.

Das Krankenhaus in Anting machte einen ordentlichen Eindruck. Als erstes warf der relativ junge, glücklicherweise vertrauenserweckende Stationsarzt einen Blick auf die Wunde, dann bekam ich für 1€ eine Patientenkarte. Für weitere sage und schreibe 6€ wurde ich dann zusammengeflickt und bekam noch nen pack Antibiotika und ne Tetanusimpfung mit. Für die Impfung gabs erst sogar noch nen Test gegen Überempfindlichkeit. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass ich etwas mehr als rundum perfekt versorgt werden sollte. Oder dass ich von der perfekten medizinischen Versorgung in China überzeugt werden sollte. Alle meine Versuche, mich höflich um die Tetanusimpfung, die ich mir erst vor zwei Wochen in Deutschland hatte erneuern lassen, zu drücken, waren jedenfalls vergebens. Das Antibiotika hab ich vorerst auch mal sein lassen, solange sich nichts entzündet.

Gestern morgen, also eine Nacht später, sah das ganze auch schon wieder viel besser aus. Der Verband ist ab, die Wunde heilt gut und unter dem 3-Tage-Bart ist die Naht kaum zu sehen.

Einen Ausrutscher der anderen Art lieferte sich vorgestern Nacht noch Christian, der beim nächtlichen Trip ins Zentrum deutlich tiefer ins Glas geschaut hatte, als sein Magen und sein Erinnerungsvermögen für gut befanden. Max hat die Schmankerl des Abends glücklicherweise fotografisch festgehalten, was momentan dazu führt, das Christian sogar bereit wäre, seine Seele zu verkaufen, nur um die Veröffentlichung der Bilder zu verhindern.

Nachtrag von Bümmel
Alles halb so wild, eins der Tsigtaos muss schlecht gewesen sein. 🙂