Schlemmen in Hangzhou

Hangzhou (zh wird wie J in John gesprochen) ist ein „beschauliches“ Städchen mit etwa zwei Millionen Einwohnern, eineinhalb Zugstunden entfernt von Shanghai. Wir wollten es eigentlich zu dritt besuchen, aber Max hat sich erkältungsbedingt entschlossen, doch lieber Bett und Stube zu hüten. Da wir somit eine Karte übrig hatten, hatte ich spontan bei meinen Basketballbekanntschaften gefragt, ob einer Lust hätte, mit Bümmel und mir dorthin zu fahren. Tja, und so kamen wir dann direkt an einen kompetenten einheimischen Reiseleiter aka Chen Zhu. Um es einmal vorweg zu nehmen: Gastfreundlicher als das, was wir in den zwei Tagen erlebt haben, kann man nicht empfangen werden.

Für uns hieß es zunächst einmal früh aufstehen, denn für die Tour mit dem Bus und der Metro bis zum Bahnhof, darf man von unserem Campus aus schon einmal knapp zwei Stunden rechnen. Der Bahnhof selbst ist dann fast wie ein Flughafen organisiert. Bevor man in die Wartehallen darf, kommt erst einmal eine Sicherheitsschleuse und das Gepäck wird durchleuchtet.

Wartehalle im Bahnhof

So wird zumindest der Eindruck von Sicherheit vermittelt, denn weder die halb schlafenden und Fingernägel feilenden Beamten an den Monitoren noch die stoisch von Handies, Schlüsseln und Metallnieten unbeeindruckten Metallschleusen scheinen wirklich dazu in der Lage zu sein, ernsthafte Bösewichte an ihrem Tun zu hindern. Sobald der Zug da ist, wird in Windeseile eine Schlange gebildet und der Zug gestürmt. Bis man auf seinem Platz sitzt, wurde die Karte schon mindestens dreimal kontrolliert. Während der Fahrt und beim Verlassen des Bahnsteiges noch einmal zu kontrollieren, ist aber dennoch unvermeidlich. 1,3 Milliarden Menschen müssen schließlich irgendwie beschäftigt werden, und sei es nur mit Fahrkartenkontrolle.

Zhu

In Hangzhou wurden wir dann von zwei von Zhus Freundinnen empfangen. Erster Tagesordnungspunkt: Mittagessen, so chinesisch und lokalpatriotisch wie irgend möglich. Schon die Vorspeise war deshalb… etwas… gewöhnungsbedürftig. Die mit Reis gefüllten süß-sauren Lotuswurzeln waren dabei die schmackhaftere Alternative. Persönliche Meinung: essbar, aber nicht unbedingt mein Fall. Ganz im Gegensatz dazu die eingelegten Hühnerfüße.

Hühnerfuß

Hätte ich mir nicht vorgenommen, während meinem Chinaaufenthalt keine noch so unmenschliche kulinarische Herausforderung auszulassen, hätte mich sicher schon der Anblick abgeschreckt. Letzendlich hab ich mich dann doch zu einem Millimeter-Bisschen durchgerungen. Die Konsistenz liegt irgendwo zwischen Kaugummi und Knorpel, und der Geschmack, nun ja, irgendwo zwischen Medizin und Brechmittel. Mein Lieblingsgericht wird es also sicher nicht werden. Gut, dass wir bald durch den Hauptgang erlöst wurden. Pekingente in Reisteigblättern und Zwiebelstreifen, sehr empfehlenswert. Dazu mal wieder irgendeine Tofuvariation, auch sehr gut, Wirsing und Reis. Neu war mir dann noch die Suppe, die uns als Nachspeise serviert wurde. Süß, mit holunderähnlichen Blüten, zerschlagenem Ei und kleinen Teigklümpchen. Lecker, aber nur in Maßen.

Tofu durften wir noch des öfteren kosten. Was man daraus alles machen kann, ist wirklich beeindruckend. Wahrscheinlich baun die Chinesen in zehn Jahren daraus auch noch Flugzeuge.

Tofu am Stecken

Tofu, aufgespießt und in Sojasoße gekocht, wird beispielsweise überall auf der Straße als Häppchen verkauft. Tofuhaut, manchmal geschnitten, mal gerollt und verknotet, findet man regelmäßig im Essen. Aber egal ob gekocht, gebraten, eingelegt, süß, würzig oder stinkend, im Gegensatz zu meinen eigenen Tofukochversuchen zuhause in Deutschland, fand ich hier unten alles sehr schmackhaft.

Der erste Nachmittag war für den Westsee reserviert. Strandspaziergang und Bootstour.

In Shanghai hatte jeder zwar in höchsten Tönen davon geschwärmt, als weit gereister Europäer ist man von ihm allerdings weniger beeindruckt. Schöne Seen gibt es bei uns schließlich genug – und in denen darf und kann man dann sogar guten Gewissens Baden. Würde man einsam und allein am Westsee entlang spazieren, könnte er auch landschaftlich durchaus mithalten, aber leider pflügt man sich hier durch chinesische Touristen Heerscharen, wie man sie in Deutschland bestenfalls von Schloss Neuschwanstein kennt. Ruhe und ungestörte Natur sucht man hier jedenfalls vergebens. Immerhin wird man hier nicht von „Wanna buy DVD? Watch? Lolex??“-Chinesen belästigt, da sich kaum ein Weißer hier her verirrt.

Eingangshalle Hotel

Hotelzimmer

Eine von unseren Begleiterinnen, ihres Zeichens Touristikstudentin und ausgebildete Touristenführerin, hatte für uns in einem Vorort von Hangzhou, unweit der Wohnung von Zhus Eltern ein Hotelzimmer organisiert. Als wir mit dem Taxi vor dem hell beleuchteten, säulenverzierten Prunkbau des Hotels ankamen, wurde mir erst einmal etwas Angst vor dem Preis. Etwas günstigeres hätte Bümmel und mir durchaus auch zugesagt. Dank dem Vitamin B bekamen wir dann aber ein wirklich hübsches Doppelzimmer für gerade mal 10€ pro Nacht und Nase. Wir waren beeindruckt!

Wie der Titel schon sagt, stellte Essen während den zwei Tagen eine der Hauptbeschäftigungen dar. Abends waren wir zu fünft original chinesischen Feuertopf essen. Das ist eine Art Fondue mit zwei verschiedenen Gewürzmischungen im Kochtopf. Je nach Lust und Laune kann man die Zutaten dann in der scharfen oder der milden Hälfte versenken. Zum Versenken kann man allerlei Zutaten aus einer endlosen Liste auswählen. Unsere Gastgeber hatten sich für einen Mix von Tofu in Stücken, Tofuhautstreifen, gebratenen Tofuknödeln, über Pilze, seltsames Grünzeug, Schinken und Vogeleiern bis hin zu Ochsenmägenstreifen entschieden. Für die kulinarische Herausforderung war also mal wieder gesorgt. Ochsenmagen schmeckt übrigens garnicht so übel. Zumindest besser als Hühnerfüße.

Zutaten Feuertopf

Der Topf

Welche Zutat davon letztendlich für unseren Dünnpfiff am nächsten Tag verantwortlich war, werden wir wohl nicht mehr herausfinden. Hühnerfüße und Ochsenmagen scheiden allerdings aus, da Christian hier gekniffen hatte. Den kulinarischen Höhepunkt unseres Kurztrips erreichten wir schließlich gestern, als wir zuhause bei Zhus Eltern zum Mittagessen eingeladen waren, direkt nachdem wir gefühlte zwei Stunden zum Kaufen der Rückfahrkarte Schlange gestanden waren. Mit den ständigen Auseinandersetzungen, wer wann was bezahlt, und ähnlichen gewöhnungsbedürftigen asiatischen Sitten hatten wir ja schon Erfahrung gesammelt, aber wie das Zeremoniell bei so einer privaten Einladung aussah, war uns ziemlich unklar. Wir taten jedenfalls unser Bestes, nicht allzuviele Fettnäpfchen mitzunehmen, bescheidener als bescheiden, zurückhaltender als zurückhaltend und höflicher als höflich zu sein.

Von Anfang an wurden wir rührend umsorgt und als erstes auf die Ledercouch im Wohnzimmer gebeten. Wir bekamen einen riesigen Früchteteller vorgesetzt und extra für uns wurde im Fernseher englisches N-TV eingeschaltet, auch wenn wir in dem Moment alles andere als Weltpolitik im Kopf hatten. Keine drei Minuten später wurde dann auch schon der Tisch mit dutzenden chinesischen Spezialitäten beladen und die erste Flasche Wein geöffnet. Die Konversation lief weitgehend im Dreieck mit Zhu als Dolmetscher, da seine Eltern kein Englisch konnten und unser Chinesisch immer noch nicht einmal als rudimentär zu bezeichnen ist. Insbesondere Komplimente wurden haufenweise verteilt. Beim Essen hatten sich Zhus Eltern schwerstens in Zeug gelegt. Es gab als Vorspeise chinesische Bohnen, zwei verschiedene Tofu Sorten, mir nicht näher bekanntes Grünzeug mit spinatartigem Geschmack, Entenstückchen und Shrimps, die Zhu in sekundenschnelle auspulen konnte und mit denen ich schwer zu kämpfen hatte. Danach kamen schrittweise verschiedene Hauptgänge hinzu. Da war einmal die bereits vorher stolz angekündigte Schildkröte. (Auf dem Bild mit schwarzem Pfeil gekennzeichnet) Eine Delikatesse, die wohl früher einmal frei irgendwo im Westsee herumschwamm. Im Topf serviert, grob aufgebrochen und für westliche Augen wohl eher ein gewöhnungsbedürftiger Anblick. Man bekommt das Vieh dann brockenweise auf seinen Teller und darf sich überlegen, wie man mit diesen verflixten Stäbchen die essbaren Teile abtrennen soll. Letztendlich blieb nur der beherzte Rückgriff auf altbewährte Esswerkzeuge übrig: die Finger. Zum Glück ist das mit den Esssitten hier viel lockerer. Die Haut bzw. der Panzer der Schildkröte sind weichgekocht und machen den Hauptteil an Essbarem aus, dazu noch etwas Fleisch.
Der Pfeil deutet auf die SchildkröteAllzuviel Eigengeschmack konnte ich nicht ausmachen. Kulinarisch nur durch den Exotenbonus zu rechtfertigen. Wesentlich schmackhafter, bzw. geradezu köstlich waren dagegen diese Art Spareribs, die danach kamen. Bümmels Tagesfavorit um genau zu sein. Mir schmeckte der anschließende Fisch in ordentlich scharfer, gut gewürzter Soße am besten, für das Essen mit Stäbchen allerdings ein echter Härtetest!

Genug des Essens. Nachmittags sahen wir uns noch eine chinesische Pagode an, hoch über dem See gelegen, die eigentlich von den Japanern irgendwann mal abgefackelt wurde. Wohl um den Touristen dann doch noch irgendwas bieten zu können, wurde sie allerdings vor einiger Zeit aus Stahl und Beton und mit Rolltreppen und Aufzügen versehen, wieder aufgebaut. Die Pagode zwischen Heerscharen anderer Touristen zu besichtigen ist dann das, was hier unter Kulturtourismus verstanden wird. Immerhin, die Aussicht war nicht schlecht.

Viel ansprechender war der Markt von Hangzhou. Der war zwar auch für Touristen ausgelegt, aber immerhin für chinesische. Es gab also, Gott sei gelobt, keine „Wanna buy DVD?“-Menschen, die Preise waren auch ohne stundenlanges Feilschen halbwegs vernünftig und die Qualität, soweit sich das beurteilen lässt, in Ordnung. Das ganze dazu noch in halbwegs authentischer, altchinesischer Umgebung und ohne großes Gedränge. Kurzgesagt, ein Markt, den man wirklich gerne besucht und der zum Schlendern, Schauen und Einkaufen einlädt. So wie ich das sehe, ein echter Geheimtipp, der wohl noch nicht in allen Reiseführern steht.

Tja, zwei Tage Hangzhou… insgesamt wirklich eine tolle Erfahrung. Zwar nicht unbedingt die Sachen, die wir besichtigt haben, aber definitiv ein tieferer Einblick in die chinesische Kultur, insbesondere die Esskultur, als wir sie bisher hatten. Und ein ganz dickes Dankeschön an Zhu für die umwerfende Gastfreundschaft, die wir erleben durften!

1.790 Gedanken zu „Schlemmen in Hangzhou

  1. To Michael:
    Wooooow! Nice pictures!
    It seems we’ve been to the same places. cool!
    When i was in hangzhou, i went to the Westlake and Wushan Square as well.

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