Fussball auf vier Beinen

Seit gestern sind Christoph und ich in wichtiger Mission unterwegs. Es gilt, den Titel des chinesischen Robocups an die Tongji zu holen. Genauer gesagt, den der vierbeinigen Liga, die mit den putzigen Roboterhunden von Sony namens Aibo ausgetragen wird. Die Kleinen müssen dabei das Runde ins altbekannte Eckige machen, es dreht sich also ausnahmsweise um Fußball, nicht Basketball. Der Cup wird in Ji’nan ausgetragen. Das ist mal wieder eines dieser austauschbaren, grauen Millionenstädchen, von denen der Durchschnittswessi noch nie zuvor gehört hat. Ji’nan liegt etwas südlich von Peking, oder anders ausgedrückt, neun Stunden mit dem Nachtzug nördlich von Shanghai.

Was auf der Chinakarte wie ein Katzensprung aussieht, kann sich in der Realität gewaltig hinziehen, insbesondere wenn man keinen Schlafwagen gebucht hat. Anfangs versuchte ich mich, durch Kartenspielen etwas abzulenken, aber diese seltsame chinesische Variante schien mir beim besten Willen keinen Sinn zu machen. Ich schlug mir noch etwas mit meinem Chinesischbuch die Zeit um die Ohren, bis sich dann irgendwann endgültig dieser Limbozustand einstellte. Man schläft nicht, weil der schäbige Sitz einfach keine entspannte Körperhaltung zulässt, man ist auch nicht wach, mal glotzt man starr vor sich hin, mal fallen einem wieder die Augen zu. Und irgendwann wird es draußen wieder hell. Zwischendrin tastet man sich noch einmal bis zu diesem übelriechenden, stockfinsteren Etwas vor, für das das Wort Toilette eine hemmungslose Übertreibung wäre.

Campus soweit der Dunst reichtTopfit kamen wir also früh am Morgen hier an und verbrachten den Rest des Vormittags erstmal damit, sinnlos im Bus zu sitzen. Einerseits, weil die Uni noch weiter draußen im Nirgendwo ist, als die Tongji, und andererseits weil es dem Ankunftsprozedere etwas an Koordination mangelt. Der Campus von Ji’nan ist jedenfalls mal wieder brandneu. Die riesige, zweistöckige Sporthalle, in der Cup stattfindet, sieht sogar noch fast jungfräulich aus, was sich insbesondere an den Basketballnetzen bemerkbar macht, die nicht nur vorhanden, sondern sogar trotz der hiesigen extremen Nutzung völlig unversehrt sind. Ringsum erstreckt sich ein Meer von Studentenwohnburgen, die sich wie ein Ei dem anderen gleichen, und die allesamt noch keine zwei Jahre alt sind. Auf der anderen Seite des Campus, bei dunstigem Wetter schon nicht mehr zu erkennen, drehen sich derweil munter ein halbes Dutzend Baukräne und ziehen in Windeseile weitere Gebäude in die Höhe. Hatte die Tongji schon gewaltige Ausmaße, hier in Ji’nan wird das ganze nochmal getoppt.

Kauziger Kubaner mit SpionageausrüstungAllzuviel tat sich am ersten Tag hier noch nicht. Etwas aufbauen, den Laufalgorithmus der Hunde schrittweise für den anderen Boden optimieren, die Farbraumtabellen zur Mustererkennung anpassen etc. Noch waren wir auch das einzige Aibo Team vor Ort.

Abends wollte man uns dann zunächst in einer Art Knast einbuchten. Man hatte für uns ein Zimmer in einem verfallenen Gebäudekomplex gebucht, den wir von außen zunächst für einen – sehr – alten Teil der Universität hielten. Die abschließbaren Gänge, die Zimmer mit Sichtfenster vom Gang, die frei baumelnden Glühbirnen, diverse Insekten, rostige Stahlbetten, die schimmlige Decke, kaputte Fliesen und die vergitterten Fenster erweckten jedenfalls keine allzu gemütliche Atmosphäre. Die besten Zeiten hatte dieses Loch schon lange hinter sich und eine Uni war es wohl auch nie. Später kam uns zu Ohren, dass das hier eine so genannte Sommerschule war, was man wohl besser mit Bootcamp zum Drillen von unkritischem, hörigen Rekrutenmaterial übersetzen könnte. Glück und Verhandlungsgeschick ließen unseren „Prisonbreak“ erfolgreich verlaufen, und die Nacht doch noch halbwegs komfortabel verbringen. Halbwegs deshalb, weil ich mir im Hotel mit Christoph ein Doppelbett teilen musste, und wir uns im ständigen Grabenkrieg um den größeren Teil der Zudecke befanden.