Frischfleisch

Christoph hat es nach einiger Verspätung doch noch zu uns geschafft. Dazu musste ich gestern zu unmenschlich früher Uhrzeit aus dem Bett krabbeln, um ihn an der Maglev Station einzusammeln. Zimmertechnisch hat er leider etwas Pech gehabt. Der Büromensch hat ihm nen Zimmer im fünften Stock auf der Südseite angedreht – ohne funktionierende Klimaanlage und ohne Aufzug! Mein vollstes Beileid an dieser Stelle.

Und weils grad gar so gut passt:
Die Schlübber von Shanghai

Schlemmen in Hangzhou

Hangzhou (zh wird wie J in John gesprochen) ist ein „beschauliches“ Städchen mit etwa zwei Millionen Einwohnern, eineinhalb Zugstunden entfernt von Shanghai. Wir wollten es eigentlich zu dritt besuchen, aber Max hat sich erkältungsbedingt entschlossen, doch lieber Bett und Stube zu hüten. Da wir somit eine Karte übrig hatten, hatte ich spontan bei meinen Basketballbekanntschaften gefragt, ob einer Lust hätte, mit Bümmel und mir dorthin zu fahren. Tja, und so kamen wir dann direkt an einen kompetenten einheimischen Reiseleiter aka Chen Zhu. Um es einmal vorweg zu nehmen: Gastfreundlicher als das, was wir in den zwei Tagen erlebt haben, kann man nicht empfangen werden.

Für uns hieß es zunächst einmal früh aufstehen, denn für die Tour mit dem Bus und der Metro bis zum Bahnhof, darf man von unserem Campus aus schon einmal knapp zwei Stunden rechnen. Der Bahnhof selbst ist dann fast wie ein Flughafen organisiert. Bevor man in die Wartehallen darf, kommt erst einmal eine Sicherheitsschleuse und das Gepäck wird durchleuchtet.

Wartehalle im Bahnhof

So wird zumindest der Eindruck von Sicherheit vermittelt, denn weder die halb schlafenden und Fingernägel feilenden Beamten an den Monitoren noch die stoisch von Handies, Schlüsseln und Metallnieten unbeeindruckten Metallschleusen scheinen wirklich dazu in der Lage zu sein, ernsthafte Bösewichte an ihrem Tun zu hindern. Sobald der Zug da ist, wird in Windeseile eine Schlange gebildet und der Zug gestürmt. Bis man auf seinem Platz sitzt, wurde die Karte schon mindestens dreimal kontrolliert. Während der Fahrt und beim Verlassen des Bahnsteiges noch einmal zu kontrollieren, ist aber dennoch unvermeidlich. 1,3 Milliarden Menschen müssen schließlich irgendwie beschäftigt werden, und sei es nur mit Fahrkartenkontrolle.

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tongji@night

Nach mehreren nächtlichen Spaziergängen ist jetzt meine kleine Serie über den Jiading Campus der Tongji Universität bei Nacht vorerst einmal abgeschlossen. Die Serie enthält der Reihe nach die hübschesten Fleckchen, wenn man vom Haupttor bis zu unserer Unterkunft schlendert. Die Bilder entstanden alle mit Christians Kamera und Belichtungszeiten von bis zu acht Sekunden. Da ich kein Stativ dabei habe, sind einige Bilder daher leider etwas unscharf.

Absssssssssssolut

Der Himmel über Shanghai ist eine der gewöhnungsbedürftigeren Dinge. Auch an Tagen mit strahlender Sonne, will sich die Blaufärbung nicht so recht gegen das diffuse Grau der Smogglocke durchsetzen. Man vermisst das knackige Blau und die klare Sicht. Alternativ wünscht man sich, zumindest etwas Textur von Wolken zu erkennen, um das Gesehene in vertraute Muster einzuordnen. Aber da ist nichts. Nur jede Menge weichgezeichnetes Grau-Blau. Auch nachts sorgt der Himmel für ungewohnte Bilder. Außerhalb des Zentrums, wie hier am Jiading Campus, wo es keine Hochhäuser und Flutlichtanlagen mehr gibt, erfüllt ein orange-rotes Dämmern die ganze Nacht hindurch den Himmel. Man wird unfreiwillig an verschiedene Weltuntergangsszenarien diverser Computerspiele erinnert. Nicht einmal hier draußen sieht man Sterne. Immerhin, der Mond ist geblieben. Im Zentrum zwischen all den hell beleuchteten Wolkenkratzern ist der Himmel einfach nur tief grau. Je nach Wetterlage mal mit, mal ohne Textur. Nicht schwarz, nicht blauschwarz, nicht einmal orange-rot, sondern einfach nur undurchdringlich grau. Interessanter Weise stört das zwischen all den bunten Lichtern allerdings kaum. Die teilweise sehr kunstvoll inszenierten Lichtspiele an den verschiedenen Türmen kommen so noch besser zur Geltung. Da wir keinen Foto dabei hatten, muss das detaillierte Ausmalen des Panoramas allerdings der Fantasie des Lesers überlassen bleiben. Soviel zu unseren gestrigen Beobachtungen.

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Ausrutscher

Eigentlich hatte ich überhaupt nicht vor, chinesische Krankenhäuser von innen zu sehen, aber erstens kommt es ja bekanntlich anders, und zweitens als man denkt. Ich hatte mich beim Basketball spielen mit einigen Chinesen auf dem regennassen Gehweg nebenan unsanft aufs Kinn gelegt und mir dort eine Platzwunde zugezogen. Im ersten moment hatte ich davon mal wieder garnichts gemerkt, erst als ich dann plötzlich nen ordentlichen Klecks Blut in der Hand hatte und keine Ursache lokalisieren konnte, wurde ich nachdenklich.

Kurz und gut bin ich dann mit Christians Arbeitskollegen aka Lobelt aka Robert und zwei Freunden von ihm ins nächste Krankenhaus gefahren. Bevor ich im Taxi meinen Geldbeutel zücken konnte, hatte Robert mal wieder bezahlt. Er bringt mich wirklich noch zum Verzweifeln. Wenn man ihn nicht mit physischer Gewalt vom Bezahlen abhält und eine zweite Person derweil das Zahlen übernimmt, kann ihn kein noch so ausgefeilter Trick stoppen. Robert ist immer schneller.

Das Krankenhaus in Anting machte einen ordentlichen Eindruck. Als erstes warf der relativ junge, glücklicherweise vertrauenserweckende Stationsarzt einen Blick auf die Wunde, dann bekam ich für 1€ eine Patientenkarte. Für weitere sage und schreibe 6€ wurde ich dann zusammengeflickt und bekam noch nen pack Antibiotika und ne Tetanusimpfung mit. Für die Impfung gabs erst sogar noch nen Test gegen Überempfindlichkeit. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass ich etwas mehr als rundum perfekt versorgt werden sollte. Oder dass ich von der perfekten medizinischen Versorgung in China überzeugt werden sollte. Alle meine Versuche, mich höflich um die Tetanusimpfung, die ich mir erst vor zwei Wochen in Deutschland hatte erneuern lassen, zu drücken, waren jedenfalls vergebens. Das Antibiotika hab ich vorerst auch mal sein lassen, solange sich nichts entzündet.

Gestern morgen, also eine Nacht später, sah das ganze auch schon wieder viel besser aus. Der Verband ist ab, die Wunde heilt gut und unter dem 3-Tage-Bart ist die Naht kaum zu sehen.

Einen Ausrutscher der anderen Art lieferte sich vorgestern Nacht noch Christian, der beim nächtlichen Trip ins Zentrum deutlich tiefer ins Glas geschaut hatte, als sein Magen und sein Erinnerungsvermögen für gut befanden. Max hat die Schmankerl des Abends glücklicherweise fotografisch festgehalten, was momentan dazu führt, das Christian sogar bereit wäre, seine Seele zu verkaufen, nur um die Veröffentlichung der Bilder zu verhindern.

Nachtrag von Bümmel
Alles halb so wild, eins der Tsigtaos muss schlecht gewesen sein. 🙂

Thinking big

Unser gestriger Trip ins Zentrum hatte zwei Ziele: Einmal das, was hier Altstadt genannt wird, einschließlich dem Yu Yuan Garten, und andererseits die „Shanghai City Development Exhibition Hall“.

Die Altstadt hat mich nicht wirklich vom Hocker gehauen. Als typische Touristenattraktion muss man sich zunächst 100.000 aufdringlichen Angeboten a la „Wanna buy D V D? Watch? T-Shirt? Good prices!! Vääääry cheap!“ erwehren. Selbst wenn man sie freundlich abweist, rennen sie einem schon mal locker 50 Meter hinterher. Erst wenn man ihnen zähnefletschend wirklich tödliche Blicke zuwirft, verstehen sie irgendwann, dass man möglicherweise doch nicht als Stammkunde zu gewinnen ist. Auch ansonsten Kommerz, soweit das Auge reicht. Von McD bis Pizzahut ist alles vertreten und Myriaden von Souvenirläden buhlen um Kundschaft. Zwischen all der blinkenden Reklame entdeckt man schlußendlich dann doch noch ein paar chinesische Holzhäuschen und für ein paar Yuan darf man sich auch noch in einem touristengefluteten daoistischen Tempelhof umschauen. Schlauerweise wurden hier sogar einige Opfer-Kohlehaufen abgefackelt, deren Rauch sein bestes tat, eine Überfüllung des Platzes zu vermeiden. Schlußendlich drehten wir dann noch die obligatorische Runde über die „Brücke der neun Wendungen“, die man auch etwas weniger hochtrabend als touristenüberfluteten Zickzacksteg über ein muffiges, überdimensioniertes Goldfischbecken bezeichnen könnte.

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Esstechnisches

Das Essen hier ist jedesmal ein Abenteuer für sich, das meistens schon mit der großen Frage beginnt, ob es wohl eine englische Karte geben wird. Falls nicht, bleibt noch die meist vergebene Hoffnung auf brockenweise Englischkenntnisse des Personals, ein Restaurantwechsel oder der absolute Griff ins Blaue. Zu diesem sahen wir uns allerdings bisher noch nicht genötigt und angesichts der merkwürdigen Kreationen, die wir hier schon auf diversen Tellern auf Nachbartischen gesehen haben, werden wir uns davon wohl noch eine Weile fernhalten.

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Stürmisches

Die Ruhe vor dem Sturm kann unglaublich entspannt sein. Nach einer Überdosis Cappuchino am frühen Abend lausche ich gerade dem monotonen, nächtlichen Grillenzirpen draußen vor dem Fenster, während der Countdown bis morgen Mittag, also etwa in neun Stunden, langsam heruntertickt. Wipha ist als Taifun der Stärke 2-3 und mit Windstärken um die 100km/h angekündigt. Obwohl es tagsüber aus Eimern gegossen hat, regt sich jetzt kein Lüftchen mehr und von Regen ist auch nichts zu sehen. Überhaupt scheint der Taifun hier an der Uni mit großer Gelassenheit erwartet zu werden. Wir wurden lediglich gewarnt, nicht unbedingt morgen zur Einschreibung in die Stadt zu fahren, weil die Uni wegen des Wetters geschlossen haben wird. Mittlerweile ist uns auch klar geworden, wieso fast alle Bäume auf dem Campus mit kräftigen Leinen, die sich auf den Gehwegen nächtens beim Joggen als fiese Stolperfallen in diversen Höhenlagen bemerkbar machen, in sämtliche Richtungen abgespannt sind. Morgen wird sich dann auch zeigen, in wie weit die Strom- und Internetversorgung unter dem Sturm gelitten und ob unser schwedisch-thailändischer Zimmernachbar seine Drachenflüge im Selbstversuch unbeschadet überstanden hat.

Nachtrag
Noch sieben Stunden und immernoch absolut tote Hose.

Nachtrag-Nachtrag
Eigentlich sollte schon vor zwei Stunden die Hölle losgebrochen sein. Hier weht allerdings immer noch ein laues Lüftchen, gelegentlich mit ein paar Tropfen durchsetzt. Mal sehen was der Abend bringt.

Mondlandung

Jup, wir sind lebend angekommen, und haben die Mission Internet anzapfen erfolgreich abgeschlossen. Hier erstmal ein paar Beweisfotos vom ersten Abend in Shanghai: